Hl. Messe am 1. Mai 2020 in der Schierlinger Pfarrkirche

   
Evangelium nach Johannes 19, 25 ff:

Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Dann sagte er zu dem Jünger: „Siehe, deine Mutter!“ Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

   
Gelübdetext:

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Predigt von Pfarrer Josef Helm:

Liebe Brüder und Schwestern,

wenn Ende April 1945 Giftgasmunition in der Muna z. B. durch Bomben oder Artillerie-Beschuss teilweise freigesetzt worden wäre – aus Versehen, denn absichtlich hätten das die Alliierten nie getan, weil sie auf die in diesem Feld damals weltweit an der Spitze liegende Giftgasentwicklung der Deutschen genauso so scharf waren wie der Teufel auf die arme Seele –, dann wären bei entsprechender Windstärke und abhängig von der Windrichtung in Schierling, Mannsdorf Deutenhof, Allersdorf, Wahlsdorf, Birnbach, Tiefenbach, St. Johann, Niederleierndorf hunderte oder einige tausend Menschen sehr wahrscheinlich eines mehr oder weniger schnellen bis qualvollen Todes gestorben. Und viele auch in etwas weiterer Entfernung wären gesundheitlich mehr oder weniger schwer geschädigt worden.

Den Ausgang des Krieges hätten sie alle in keiner Weise beeinflusst – also militärisch kein strategisches und kein taktisches Ziel. Diese Bedrohung damals – die Gott sei Dank nicht Wirklichkeit geworden ist – war eine lokal begrenzte Bedrohung, sie hätte mit dem Zirkel auf der Landkarte aufgetragen werden können. Je größer der Abstand desto geringer die Bedrohung.

Die Bedrohung heute ist nicht lokal, sondern global, keine chemische, sondern eine biologische. Die Sterblichkeitsrate ist wesentlich geringer als bei Giftgas. Aber das Fatale daran: Jeder der sich ansteckt, wird selber zur möglichen Ansteckungsquelle, also zur Bedrohung für andere. Diese Bedrohung kann nicht mit dem Zirkel auf eine Karte eingetragen werden, sie ist möglicherweise überall.

In den Jahren 1918-1919 war so eine Virusinfektion schon einmal ausgebrochen und in drei Wellen um die Erde gelaufen: die sog. Spanische Grippe. Nach heutigem Kenntnisstand war im US-Staat Kansas ein mutierter Vogelgrippe-Virus auf Menschen übergesprungen.

Was heutzutage Wirtschaftsbeziehungen und Tourismusströme sind, waren damals Truppenkonzentrationen und Truppenbewegungen im Krieg: Über amerikanische Soldaten kam das Virus nach Frankreich und zu den Verbündeten; über Gefangene und Verwundete zu den Deutschen und zu den Österreichern.

43.000 US-Soldaten fielen im Weltkrieg – 63.000 starben an der Grippe, insgesamt 675.000 US-Amerikaner – mehr US-Amerikaner als in den beiden Weltkriegen zusammen gefallen sind (D: 200.000, GB: 183.000, Fr: 197.000, It: 437.000; Sterbe-Matrikel Schierling 1918/19: 14 Grippetote, 20 insgesamt). Und zwar völlig unbeachtet, weil die Augen aller auf das Kriegsgeschehen gerichtet waren und in den kriegführenden Staaten die Nachrichten zensiert waren. Nur in Spanien (nicht kriegführend) wurde darüber berichtet, daher der – falsche – Name.

Weltweit starben daran in einem Jahr zwischen 27 und 50, vielleicht sogar 100 Millionen Menschen – in den 4 Jahren des 1. Weltkriegs kamen 17 Millionen Soldaten und Zivilisten um. Indigene Völker in Amerika und Asien waren besonders schwer betroffen: Ein Versorgungsschiff lief im Herbst 1918 das Inuitdorf Okak in Labrador an und brachte Güter – und das Virus. Von den 266 Einwohnern überlebten 59. Missionare fanden dort ein 8−jähriges Mädchen, das 3 Wochen bei −30° C neben 4 tiefgefrorenen Leichen ihrer Familie gelegen und überlebt hatte, weil es mit Christbaumkerzen Eis geschmolzen und so zu trinken hatte.

Zustände, die an die schlimmsten Pestzeiten bei uns 1627 und 1713 erinnern. Im Zusammenhang mit dem Corona-Virus sind (Stand 01.05.2020, 08.00 Uhr) weltweit knapp 209.000 Menschen gestorben. (An der Spanischen Grippe wären das heute bei 4,33-facher Weltbevölkerung 116 bis 433 Millionen!)

Die Leute in Schierling haben mehrere Pestausbrüche überstanden, wenn auch mit großen Verlusten und die Spanische Grippe und die beiden Weltkriege – die mögliche Freisetzung von Giftgas Ende April 1945 blieb sogar ganz aus. Und die Menschen – nicht nur in Schierling, sondern überall – werden auch die Corona-Pandemie überstehen, wobei „überstehen“ und „gerettet werden“ in jedem Fall zeitlich begrenzte und endliche Wirklichkeiten aussagen.

Auch die, die die spanische Grippe vor 100 Jahren überstanden haben, inklusive des Mädchens und der anderen Überlebenden von Okak, sind mittlerweile eher nicht mehr unter uns. Und die Schierlinger, die damals vor dem Giftgas „gerettet“ waren, sind mindestens 75 Jahre alt, manche sind schon gestorben und die anderen werden auch sterben – mit 100% Wahrscheinlichkeit.

Dauerhaftes Überstehen und Gerettetwerden kann nicht von Mund- und Nasenschutz kommen und auch nicht von Intensivstationen und Beatmungsgeräten, nicht einmal von einem Impfstoff – der hoffentlich noch gefunden wird – alles ist nur Aufschub. Dauerhaftes Überstehen und Gerettetwerden gibt es also für uns Menschen nicht – und wenn überhaupt, dann nur mit Gott und bei Gott, dann nur mit und bei Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist. Und der fähig und willens ist, auch uns – nicht vor dem Tod, aber durch den Tod hindurch – zu retten ins ewige Leben. Diese Hoffnung verkörpern für uns Maria und alle Heiligen.

Die Menschen hatten dafür, dass nur Gott dauerhaft retten kann, in der Not ein Bauchgefühl: Deshalb die Pestwallfahrt nach Hausen, deshalb das Gelübde, das wir heute vollenden.

Dieses Bauchgefühl ist mittlerweile ziemlich tief unter allem möglichen Krempel und Allmachts- und Selbstbestimmungsphantasien zugestellt, überlagert und verschüttet. Heute wenden sich die Großen in der Not in Unmengen von Videokonferenz, Presserklärungen, Livestream usw. an Menschen – an Gott wendet sich heute öffentlich eher niemand.

Das Gelübde und die Corona-Pandemie laden geradezu ein, diese Hoffnung auf dauerhafte Rettung durch Gott wieder ein wenig freizuschaufeln, damit wir nicht – zwar wohlstandsverbrämt und -gebremst aber schließlich unweigerlich – in Verzweiflung enden.

   


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