Als im Kloster das Licht ausging

Erinnerungen an einen Besuch in Zagreb/Spansko im Mai 1991
   

Vor 30 Jahren bahnte sich der Krieg in Jugoslawien auf dem Balkan an. Fritz Wallner erzählt von einem Besuch in der kroatischen Partner-Pfarrgemeinde Zagreb/Spansko im Mai 1991. Die Kirche war Hoffnungsträger. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien dauerte fast die gesamten 1990er Jahre. Unzählige Menschen ließen ihr Leben. Kroatien war damals Teil des sozialistisch geführten Jugoslawiens, das besonders wegen des Tourismus offiziell zwar als neutral galt, aber doch dem kommunistischen „Ostblock“ zugerechnet werden konnte.

   

Im Mai 1991, unmittelbar nach den ersten Anzeichen für einen Krieg, besuchten der damalige Pfarrer Hans Bock und Pfarrgemeinderatsvorsitzender Fritz Wallner ihre Freunde in Kroatien. Eine Exkursion führte zusammen mit Kaplan Vlado Kosic (hintere Reihe links) zum Kloster Cuntic, wo der Franziskanerpater Mario (Mitte) die Situation der Kirche in den Krisengebieten Kroatiens erläuterte.

   

Schon im März 1991 gab es Unruhen, die im Westen Europas eher unbemerkt blieben. Pfarrer Hans Bock und ich besuchten im Mai 1991 unsere Freunde in Kroatien und spürten zum ersten Mal, dass die Menschen Angst hatten. Diese Angst sollte sich als begründet erweisen, denn neben vielen anderen Schauplätzen war besonders die katholisch geprägte Teilrepublik Kroatien das Ziel von planmäßigen Zerstörungen der Kirchen, Kapellen, Schulen und Krankenhäuser. Menschen wurden vertrieben oder mussten flüchten.

   

So wie die Kirche von Topusko wurden vor 30 Jahre in Kroatien über 1426 sakrale Objekte von den Kriegstreibern auf dem Balkan zerstört.

   

Freundschaft seit 1984
Die katholische Pfarrgemeinde Schierling hatte seit dem Katholikentag von München im Jahre 1984 eine Partnerschaft mit der kroatischen Pfarrgemeinde Zagreb/Spansko. Diese hatte der Pfarrgemeinderat angestoßen, der damals aus bis zu 40 Mitarbeitern bestand, und dessen Vorsitzender ich seit 1982 sein durfte. Ursprünglich war zum Katholikentag der Besuch einer Gruppe aus dem polnischen Oppeln geplant gewesen, doch den Polen – ebenfalls kommunistisch regiert – war die Ausreise nach Deutschland verweigert worden. So teilten die Organisatoren der „Aktion Silbermöwe“ uns Schierlingern die Christen aus dem damaligen Jugoslawien zu.

   

Antun Prpic (rechts) war viele Jahre Pfarrer von Vocin im kroatischen Slawonien, wo die serbischen Milizen die Kirche völlig zerstörten und am 13. Dezember 1991 bei einem Massaker 39 Zivilisten töteten.

   

Katholikentag als Auslöser
Unsere ersten Ansprechpartner waren Pfarrer Josip Ban und Maria Ecimovic, bald gab es einen Pfarrerwechsel und Antun Prpic übernahm die Pfarrei Spansko. Der christliche Glaube und die katholische Kirche hatten bei den Regierenden Jugoslawiens kein großes Ansehen, doch der Glaube des Volkes mit vielen jahrhundertealten Traditionen insbesondere in der damaligen Teilrepublik Kroatien hielt allen Anfeindungen stand. Die wichtigsten Ziele der Partnerschaft waren damals der Beistand für die bedrängten Christen. Außerdem wollte man aufgrund von Erfahrungen mit anderen Traditionen eine Stärkung des eigenen Glaubens erreichen. Es gab in der Folgezeit gegenseitige Besuche größerer und kleinerer Gruppen, es entstanden Freundschaften und sehr schnell wurde uns Schierlingern klar, welch große Bedeutung Glaube und Kirche im nur etwa 600 Kilometer entfernten Land hatten.

   

Zuletzt hatten im Jahre 2017 Pfarrer i.R. Hans Bock und Fritz Wallner den vormaligen Kaplan Vlado Kosic besucht, der heute Bischof der Diözese Sisak ist, in deren Bereich Anfang 2021 verheerende Erdbeben große Schäden verursachten.

   

Spansko am Stadtrand von Zagreb
Im Mai 1991 brachen unser damaliger Pfarrer Hans Bock und ich zu einem mehrtägigen Besuch in Kroatien auf. Spansko liegt am Rand der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Es war ein ganz neues Stadtviertel, in das insbesondere junge Leute aus den ländlichen Gegenden zogen. Darunter auch viele aus der historischen Region „Slawonien“, nicht zu verwechseln mit „Slowenien“. Slawonien galt als Kornkammer des damaligen Jugoslawien und erstreckt sich in Ost-West-Richtung etwa 150 Kilometer zwischen Südungarn und Bosnien. Einen Großteil der Fläche Slawoniens nehmen die Ebenen zwischen den großen Donau-Nebenflüssen Save und Drau ein. Im Osten reicht es bis zur Donau und der serbischen Grenze.

Kirche dem Erdboden gleichgemacht
Besonders die Zagreber Neubürger aus diesem Slawonien blickten im Mai 1991 sorgenvoll in die Zukunft. Sie bangten um ihre Verwandten, denn sie gehörten zum Krisengebiet, in dem sich schon schaurige Szenen abgespielt hatten. Große Hoffnung setzten die Christen auf die Kirche. Sie galt als Kern für die Identifikation mit der Heimat. Im Rahmen der Reise besuchten Pfarrer Bock und ich auch das Dorf Hrastovica, in dem der junge Priester Vlado Kosic als Pfarrer wirkte. Er war vorher zwei Jahre lang als Kaplan in unserer Partnerpfarrei tätig gewesen, und ist heute Bischof der Diözese Sisak. Die Kirche von Hrastovica stand kurz vor dem Abschluss der Renovierung und wir hatten im Auftrag der „Kirche in Not“ Königstein einen Zuschuss von 20.000 DM im Gepäck. Die Wiedereröffnung zusammen mit dem damaligen Zagreber Erzbischof Kardinal Kuharic war für August 1991 geplant gewesen. Doch dazu kam es nicht mehr, denn Hrastovica war umkämpft und schon im September/Oktober 1991 wurde die Kirche durch serbische Milizen dem Erdboden gleichgemacht.

   

Hier stand die frisch renovierte Kirche in Hrastovica, die im September/Oktober 1991 durch serbische Milizen dem Erdboden gleichgemacht wurde.

   

„Beten, arbeiten und keine Angst haben“
Zusammen mit Pfarrer Prpic, Mato Balic, Josip Toman und Vlado Kosic besuchten wir auch das Franziskanerkloster Čuntić bei Petrinija, östlich von Zagreb. Mato Balic hatte uns klargemacht, dass gerade in dieser Gegend Klöster und Kirchen wie Kerzen auf einem Leuchter seien. Pater Mario empfing uns, und sehr schnell kam die unsichere politische Situation zur Sprache. Für ihn war wichtig, den wenigen, die sich zu ihm hinauf trauten, Hoffnung zu geben. „Ich habe gelernt, zu beten, zu arbeiten und keine Angst zu haben“, sagte er. Und der Pater fuhr fort: „In diesen schweren Zeiten sehen die Menschen auf den Berg. Solange im Kloster noch Licht brennt, haben auch sie Hoffnung!“. Er sollte leider Recht behalten. Denn auch das Kloster musste bereits im Herbst 1991 die ersten Zerstörungen hinnehmen, die Lichter gingen aus und der Pater musste fliehen. Damit schwanden auch die Hoffnungen der Menschen, die über viele Jahre hinweg anschließend großes Leid erdulden mussten. Wir sicherten schon damals weiterhin Solidarität und Beistand zu, die zu den sehr wichtigen Pflichten von Christen zählen.

Kirchen waren Ziel der Angriffe
Bei langen Gesprächen war schon am Anfang des Krieges deutlich geworden, wie schmerzlich die wirtschaftlichen Probleme durch den Umbau, weg von der sozialistischen Zentralwirtschaft, für die Bevölkerung sein würden. Nicht selten kam es zu Arbeitsplatzverlusten und der Wert des Dinars gegenüber der Mark nahm bereits rapide ab, während die Löhne nach wie vor schlecht waren. Es kam hinzu, dass ab 1991 insgesamt über 1426 sakrale Objekte – Kirchen, Klöster, Ordensniederlassungen, Schulen – beschädigt, gesprengt oder sonstwie zerstört worden waren.

   

Gegenbesuch in Schierling aus der Partner-Pfarrgemeinde Zagreb/Spansko.

   

Flüchtlingshilfe
Aufgrund des Krieges kamen schon im Oktober 1991 die ersten Flüchtlinge und Vertriebenen in Zagreb/Spansko unter. Es sollten im Laufe der Jahre bis zu 2.500 werden. Die Pfarrei Spansko hatte unter Leitung von Pfarrer Antun Prpic, und mit der Unterstützung unzähliger Ehrenamtlicher, im Untergeschoß der Kirche eine perfekte Logistik aufgebaut, um im Rahmen der Caritas die geflüchteten und vertriebenen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Der allergrößte Teil davon kam aus Schierling, wo sich eine außerordentliche Welle der Hilfe und Solidarität entwickelte, die bis 1997 anhielt. Bei insgesamt 25 großen Hilfstransporten wurden in diesen Jahren Hilfsgüter zu den bedrängten Menschen gebracht. Aus Dankbarkeit hatte Marija Petricevic, die mit der Familie aus ihrem Dorf Ilaca nahe der Grenze zu Serbien flüchten musste, eine Altardecke für die Pfarrkirche Schierling kunstvoll gefertigt, wo sie noch heute eine Zierde für die Kirche ist.

   

Zeitungsbericht von einem Transport von Hilfsgütern nach Kroatien.

   

   


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Text und Fotos: Fritz Wallner/privat

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