Ob es im Himmel Zäune gibt?

Allerheiligen und Allerseelen erinnern an das Leben „nachher“, das mit dem irdischen Leben nichts mehr zu tun hat. Gedanken zum „Totenmonat“ November
   

Der Monat November, der „Totenmonat“, ist oft nebelverhangen und schlägt manchen Menschen auf's Gemüt. Er beginnt mit Allerheiligen und Allerseelen, dem besonderen Andenken an die Toten. Rund 2.000 Menschen haben in Nicht-Corona-Zeiten an Allerheiligen in Schierling am nachmittäglichen Friedhofsgang teilgenommen. Die Gedanken gehen zu den Verstorbenen, besonders zu denen, die uns sehr nahegestanden haben. Vielfach bleibt die Frage nach dem „Warum“ zurück. Im Nachdenken darüber kommt die eigene Sterblichkeit in den Sinn, die Zerbrechlichkeit des Lebens, an der sich nichts ändern lässt.

Über den beiden Gedenktagen Allerheiligen und Allerseelen steht das Kreuz. Christus wurde vor 2.000 Jahren am Kreuz hingerichtet. Wie ein Verbrecher. Für gläubige Menschen zeigt sein Tod, dass mit dem irdischen Tod nicht alles vorbei ist. Durch seine Auferstehung hat er gezeigt, dass die Liebe Gottes stärker ist als der Tod. Er hat damit der Menschheit einen ewigen Tod erspart. Damit verbunden ist das Vertrauen, auch nach dem irdischen Tod nicht verloren zu sein.

   

Auch das seit 1879 bestehende alte Tor zum Schierlinger Friedhof erinnert an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens ebenso wie an die Unendlichkeit des ewigen Lebens.

   

Wie aber sieht dieses „ewige Leben“ aus? Werner Gutheil, Diözesanseelsorger für Trauernde im Bistum Fulda, hat die Fragen aufgeworfen und beantwortet, die sich wohl viele Menschen stellen. „Wie sieht es im Himmel aus? Ob es Zäune im Himmel gibt, wie auf dem Friedhof? Ob es Abgrenzungen im Himmel gibt, wie an den Gräbern? Ob es Ausgrenzungen im Himmel gibt, wie in dieser Welt? Nein, der Himmel ist offen, der Himmel ist grenzenlos, der Himmel hat Weite, der Himmel lädt die Menschen ein, miteinander in Beziehungen zu sein, ohne Zäune, ohne Abgrenzungen, ohne Ausgrenzungen. Ob es Unüberwindbares gibt im Himmel? Nein, weil alles überwunden ist: Kreuz und Leid, Angst und Einsamkeit, Alleinsein und Streit. Ob es Zäune gibt im Himmel? Wohl kaum, denn mit dem Tod und der Auferstehung Jesu sind diese überwunden“, so Gutheil.

Dieses Leben nach dem Tod ist mit nichts von dem zu vergleichen, was die Menschen auf der Erde erlebt haben. Es ist nicht so, als ob man nur von einem Ort zum anderen umziehen würde. Der Regensburger Pfarrer und Krankenhausseelsorger Dr. Christoph Seidl hat bei einer sonntäglichen Morgenfeier im Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks vor zwei Jahren ausführlich darüber berichtet, was Menschen in ihren letzten Tagen, im Angesicht des Todes, bewegt. Werde ich all meine Verwandten, Freunde und Bekannten wieder treffen? Wie ist das, wenn ich zwei Ehepartner hatte, weil der erste früh verstorben ist? Bleiben menschliche Feindschaften auch über den Tod hinaus bestehen? Seine Antwort: „Das Leben ‚nachher‘ ist nicht einfach eine Fortsetzung des jetzigen Lebens! Der weitestgehende und hoffnungsvolle Unterschied zum irdischen Leben ist, dass man im ewigen Leben nicht mehr sterben kann“, so Seidl.

   

Von der Aussegnungshalle weg begleiten viele Menschen die Verstorbenen auf dem letzten Weg auf dieser Erde.

   

Allerheiligen und Allerseelen erinnern also auch daran, dass die Menschen in einer großen Gemeinschaft stehen, die nicht nur die Lebenden umfasst, sondern auch die Verstorbenen. An Allerheiligen werden all diejenigen gefeiert, die schon in die ewige Gemeinschaft mit Gott aufgenommen sind. An Allerseelen gedenkt die Kirche all ihrer Verstorbenen. Äußeres Zeichen dafür ist der Grabschmuck und der Besuch am Grab. Schierlings langjähriger Pfarrer Josef Helm hat insbesondere bei Requien immer wieder darauf hingewiesen, dass die Hinterbliebenen wirksam kaum mehr tun können, als für sie zu beten und an sie zu denken. Besonders beim Verlesen der Namen der im letzten Jahr Verstorbenen wird dieses Andenken an Allerheiligen am Friedhof sehr intensiv.

Von dem von den Nazis ermordeten protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer ist diese ehrliche und hilfreiche Erkenntnis überliefert: „Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen. Man muss es einfach aushalten und durchhalten. Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist zugleich ein großer Trost. Indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.“ Dass in diesem Prozess des Abschiednehmens Menschen wieder zueinander finden, dass sie sich gegenseitig Halt und Stütze sind, das wird bei Trauergesprächen mit den Hinterbliebenen immer wieder deutlich, berichten insbesondere Seelsorger.

   

   


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Text und Fotos: Fritz Wallner / Laber-Zeitung

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