Was hat Jesus Neues gebracht?

Gott ist jetzt unter den Menschen – Jesus hat die Freiheit gebracht – Menschen lernen die Botschaft der Vergebung, Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe – Veränderung der Gesellschaft durch die Veränderung des Einzelnen
   

Weihnachten ist das Fest der Geburt Christi. Ein Fest der Hoffnung auf Wärme und Liebe. Warum aber war es wichtig, dass Jesus auf die Welt gekommen ist, obwohl es doch „Gott“ schon immer gab? Er muss also etwas Neues in die Welt gebracht haben, das revolutionär war. Und das hat er: Jesus fordert zu einer neuen Grundordnung und Grundhaltung heraus. Wer Jesus nachfolgt, seine verpflichtenden und herausfordernden Beispiele und überlieferten Taten ernst nimmt, der verändert sich und die Gesellschaft. Der tritt heraus aus dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt, von Schuld und Vergeltung.

Gerade an Weihnachten kann auch in den Familien aufscheinen, um was es Jesus geht. Seine Geburt ist ein Fest der Versöhnung, und zwar über alle großen und kleinen Streitereien hinweg. Wer Jesus nachfolgt, wird nicht nur „Herr, Herr“ stammeln und einem „Fundamentalismus“ huldigen, sondern er wird seinen persönlichen Lebensweg nach Jesus ausrichten. Weil Jesus einen gewinnbringenden Lebensweg vorgelebt hat, weil damit Gott in Menschengestalt auf die Welt gekommen ist, kann es relativ leicht fallen, so zu leben. Jesus macht es vor und er predigt dieses neue Leben. Der Franziskaner Andreas Murk stellt fest: „Gott ist auf einmal nicht mehr weit weg, sondern man kann Gott als Menschen berühren!“ Mit Jesus wird Gott erstmals sichtbar und greifbar.

   

Weihnachten in der Pfarrkirche Schierling: Das Doppelgebot der Liebe, erweitert durch das Gebot der Feindesliebe lässt das „Programm“ des neugeborenen Jesus aufleuchten.

   

Jüdische Abstammung
Jesus und seine ganze Familie, seine Mutter Maria, Vater Josef, seine Vorfahren und Verwandten waren Juden. Auch sein Name ist jüdisch, nämlich hebräisch „Jeschua“. Auch seine Bibel, sein Gottesdienst und seine Gebete waren jüdisch. Der Jesus der Geschichte war kein Angehöriger oder Sympathisant der liberal-konservativen Regierungspartei. Er gehörte nicht zu den Sadduzäern, die als sozial privilegierte Klasse regelmäßig den Hohepriester stellte.

„Jesus war sichtlich nicht gewillt, in scheinbarer Weltoffenheit die modernen hellenistischen Lebensformen zu übernehmen, sich für die Erhaltung des Bestehenden einzusetzen und die große Idee vom kommenden Reich Gottes hintanzustellen“, schreibt Hans Küng, der am 6. April dieses Jahres verstorbene berühmte Schweizer Theologe, römisch-katholische Priester und Autor. Jesus war vielmehr als Wanderprediger unterwegs, scharte Freunde um sich und verkündete landauf, landab: Das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt der guten Botschaft. Er verkündete eine erfreuliche Botschaft von der Güte des nahenden Gottes und einem Reich der Gerechtigkeit, der Freude und das Friedens. Er verkündete das Reich Gottes nicht mehr zuerst als Gericht, sondern als Gnade, als Geschenk für alle. Er verkündete, dass nicht nur Krankheit, Leid und Tod, auch Armut und Unterdrückung ein Ende haben werden. Seine Reden waren eine befreiende Botschaft für die Armen, Mühseligen und von Schuld beladenen, eine Botschaft der Vergebung Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe.

„Sündenfall“ als gedankliche Kollektivschuld
Die religiösen Menschen sind damals davon ausgegangen, dass sich der „Sündenfall“ aus dem Paradies, das Kosten vom Apfel, doch viel mehr der Brudermord des Kain an Abel, auf alle in der Zukunft geborenen Menschen überträgt. Sie sehnten sich danach, von dieser „Schuld“ befreit – erlöst – zu werden. Heutige Menschen wissen, dass sich diese „Sünde“ nicht auf ihr persönliches Handeln bezieht. Diese über die Jahrhunderte als „Erbsünde“ titulierte Schuld hat nichts mit der Freiheit, der Verantwortlichkeit, der Tilgungsmöglichkeit oder der Denkbarkeit von Schuldfolgen eines konkreten, schon gar nicht heutigen, Menschen zu tun. Es handelt sich eher um eine nicht mehr unstreitige, gedankliche Kollektivschuld, die der Menschheit nach dem Verständnis der katholischen Kirche insgesamt anhaftet.

   

Jesus wurde nicht im Winter in einem oberbayerischen Stall geboren, sondern in einer Felsenhöhle in Palästina, in der Nähe von Betlehem, in der eine Schierlinger Pilgergruppe zuletzt im Jahre 2008 zusammen mit dem damaligen Pfarrer Hans Bock Gottesdienst feierte.

   

Unterdrückung überwinden
Die Menschen vor zweitausend Jahren warteten in Galiläa, der Heimat Jesu, besonders aber auch auf den Messias, den Erlöser, weil es ihnen alles andere als gut ging. Zur Zeit Jesu wurde die damalige „Welt“ des bekannten Abendlandes von den Römern konkurrenzlos beherrscht. Die Weltbevölkerung betrug wahrscheinlich zum Zeitpunkt „Null“ etwa 160 Millionen Menschen. Auch Palästina gehörte zur römischen Besatzungszone unter Kaiser Augustus (27 v. − 14 n. Chr.). Von ihm war König Herodes der Große (37 − 4 v. Chr.) abhängig. Rechtsunsicherheit und Korruption waren vorherrschend, viele Juden waren arm und Räuberbanden verunsicherten die Wege. Aufstände wurden mit harter Hand unterdrückt, Tausende erlitten den Tod am Kreuz. Die Menschen in Palästina wollten befreit werden von der Last der römischen Besatzer, insbesondere von der Unterdrückung. Sie wollten Freiheit zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse.

Harsche Kritik an sozialen Missständen
„Kein Volk hat der römischen Fremdherrschaft so ausdauernd geistigen und politischen Widerstand geleitet wie das jüdische“, schreibt Hans Küng. Galiläa sei für revolutionäre Aufrufe besonders anfällig gewesen. Nach Vermutungen vom Namen her seien auch unter Jesu Anhängern Revolutionäre gewesen. Gerade für die revolutionäre Bewegung habe die Volkserwartung eines großen Befreiers, eines kommenden „Gesalbten“ (Messias, Christus) oder „Königs“ eines endzeitlichen Gesandten eine erhebliche Rolle gespielt. Wer immer damals mit einem Führungsanspruch auftrat, der löste die Frage aus, ob er vielleicht der „Kommende“ oder zumindest sein Vorläufer sei.

Jesus lehnte es aber ab, die antirömische Stimmung anzuheizen. Auch er erwartete eine grundlegende Veränderung der Situation, nämlich den baldigen Anbruch der Gottesherrschaft anstelle der menschlichen Herrschaftsordnung. Er übte harsche Kritik an sozialen Missständen, Rechtsbeugung, Raffgier, Hartherzigkeit und er setzte sich für die Armen, Unterdrückten, Verfolgten, Elenden und Vergessenen ein. Aber er blies nicht zum Sturm gegen die autoritären Strukturen.

„Revolution“ der Gewaltlosigkeit
Das ist das Neue von Jesus. Seine harte Kritik an den Machthabern gipfelte nicht im Appell zum Erzwingen der besseren Zukunft durch Gewalt nach dem Motto: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ Sein Appell galt dem Gewaltverzicht: Statt Vernichtung der Feinde Liebe zu den Feinden, statt Zurückschlagen bedingungslose Vergebung, statt Gebrauch von Gewalt Bereitschaft zum Leiden, statt Hass- und Rachegesängen Seligpreisung der Friedfertigen, statt machtgierigem Herrschen Dienstbereitschaft. Jesus ging es darum, nicht weiterzumachen wie bisher, sondern um radikales Umdenken und Umkehren des Menschen, weg von seinen Egoismen, hin zu seinem Gott und zu seinen Mitmenschen. Für Jesus sind nicht die eigentlichen Fremdmächte diejenigen, von denen der Mensch befreit werden muss. Sondern es sind die Mächte des Bösen: Hass, Ungerechtigkeit, Unfrieden, Gewalt, Lebenslüge, die menschlichen Egoismen überhaupt, aber auch Leiden, Krankheit und Tod. Diese Veränderung liegt in der Freiheit der Menschen. Jesus wollte eine Veränderung der Gesellschaft durch die Veränderung des Einzelnen.

   

Gloria in excelsis deo – Ehre sei Gott in der Höhe.

   

Ratzingers Sicht
Auch Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI., befasst sich im ersten Teil seines Werks „Jesus von Nazareth“ mit der gerade von jüdischer Seite immer wieder – durchaus zu Recht – gestellten Frage, was der „Messias“ Jesus gebracht hat. Ratzingers Antwort ist mehrschichtig. Mit der Person Jesus kann Gott jetzt in die ganze Welt gebracht werden. Mit ihm entsteht eine neue „Familie Jesu“, die man später „Kirche“ nennen wird. Nach Ratzinger wird mit Jesus auch ein neuer Blick auf die Einzelbestimmungen des Alten Testaments möglich.

Die „Tora“, als ein Teil des Alten Testaments, hatte die Aufgabe, Israel eine konkrete Rechts- und Sozialordnung zu geben. Durch Jesus, und in seiner Familie, werden diese Rechts- und Sozialordnungen in ihrer historischen Wörtlichkeit nicht mehr allgemein gelten. „Die Sozialordnung Israels wörtlich auf Menschen in allen Völkern zu übertragen, hätte bedeutet, die Universalität der wachsenden Gottesgemeinschaft faktisch zu negieren“, schreibt Ratzinger. Er gibt damit einen Hinweis darauf, dass der Glaube an Gott in die jeweilige Geschichte und Kultur der unterschiedlichen Teile der Welt eingepflanzt werden muss. Diese alten Ordnungen würden durch Jesus aus der gottesrechtlichen Gesetzgebung entlassen und der Freiheit des Menschen übertragen, so Ratzinger weiter.

Heil für alle
Wer sich also auf Jesus einlässt, ob der einzelne Mensch oder eine Gemeinschaft, dem vermittelt Jesus ganz konkret eine neue Grundorientierung und Grundhaltung, insgesamt eine Lebenseinstellung, deren Konsequenzen er aufgezeigt hat: Wer sich auf Jesus einlässt, sein Leben als konkretes Leitbild und Lebensmodell akzeptiert, der ermöglicht ein neues Verhältnis zu den Mitmenschen, zur Welt und zu Gott, der darf und kann anders, echter, menschlicher leben.

Jesu Programm laute: „Heil für alle“, fasst der 2016 verstorbene Passauer Neutestamentler Franz Mußner zusammen. Für Jesus gebe es keine „Kasten“, keine „Parias“, keine „Kellerkinder“, vor Gott sei niemand erledigt. Zum Wesen des Christentums gehöre das Miteinander-Essen. Das Doppelgebot der Liebe, erweitert von Jesus durch das Gebot der Feindesliebe, lasse sein „Programm“ aufleuchten, welches das „Programm“ Gottes ist: Die „Entfeindung der Menschheit“. Das geschieht durch Weihnachten.

Jesus im Islam
Für Muslime ist Jesus nicht Gottes Sohn, aber er gehört zu den wichtigsten Propheten des Koran, da er das Kommen Muhammads angekündigt habe. Im Unterschied zu den Juden und Christen wird im Koran zwischen dem Wirken eines einfachen Propheten und dem eines Gesandten Gottes unterschieden. Jesus wird als Gesandter Gottes bezeichnet, da er zusätzlich zu seinem prophetischen Wirken von Gott Offenbarungen erhalten hat, die zum Text des Evangeliums und somit zu einer im Islam anerkannten Buchreligion geführt haben.

Jesus im Judentum
Eine einfache Antwort zu dieser Frage scheint es nicht zu geben, da eine große Verschiedenheit  in Bezug auf Glaubensinhalte und Sichtweisen unter den Juden vorhanden ist. Markus Rehberg hat 2014 beim Institut für Israelogie dargelegt, dass mit Ausnahme von ultraorthodoxen Juden Jesus als Weiser, als Prophet oder aber auch als mutige Persönlichkeit betrachtet wird, die sich gegen die Tyrannei Roms aufgelehnt hat. Andere Juden halten ihn für einen Mystiker oder Guru. Eine dritte Gruppe hat den Eindruck, dass man nicht viel über ihn wissen kann, da sie die Zuverlässigkeit der verfügbaren Quellen in Zweifel ziehen. Diese verschiedensten Ansichten haben eines gemeinsam: Juden glauben nicht an Jesus, den Messias, und sie sehen ihn nicht als menschgewordenen Gott an, mit Ausnahme der meisten messianischen Juden.

Literatur
Die beiden großen Theologen des letzten Jahrhunderts, Professor Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) sowie der in Tübingen lehrende, später von Ratzinger abgesetzte und inzwischen verstorbene Professor Hans Küng, haben jeweils grundlegende Werke über Jesus von Nazareth veröffentlicht. Ratzinger präsentiert ein durchgehend stark vergöttlichtes Jesusbild, während Küng den geschichtlichen Jesus herausarbeitet, mit seinem dramatischen Grundkonflikt mit der damaligen religiösen Hierarchie und der pharisäischen Frömmigkeit. Professor Hermann Häring hat sich in 2008 und 2011 veröffentlichten Werken ebenfalls mit Jesus von Nazareth grundlegend beschäftigt.

   

   


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Text und Fotos: Fritz Wallner / Laber-Zeitung

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