„Das Gedenken darf nicht aufhören“

Der Gelübdetag zur Errettung aus Kriegsnot soll in anderer Form weitergeführt werden
   

 
1995 hat der Markt einen Gedenkstein in der symbolischen Mitte von Schierling aufgestellt.
   
 

Der Schierlinger „Gelübdetag“ soll auch in Zukunft erhalten bleiben. Dass die Erinnerung und das Gedenken an die große Gefahr von Ende April 1945 nicht enden darf, darin waren sich alle Marktgemeinderäte in der Sitzung am 20. April einig. Wie allerdings die konkrete Ausgestaltung des Gedenkens künftig sein soll, muss noch geklärt werden.

Schierling und Umgebung waren vor 75 Jahren, Ende April 1945, in tödlicher Gefahr. Das Leben von vielen Tausend Menschen hing am seidenen Faden. Denn in der nahegelegenen „Muna“ waren 6.000 Tonnen Giftkampfstoffe gelagert, es fielen Bomben der Amerikaner und ein linientreuer Depotkommandant hatte den infernalen Plan, das Munitionsdepot in die Luft zu sprengen.

Eine ganze Region sei durch die kampflose Übergabe der Muna an die Amerikaner vom „Super-Gau“ erlöst worden, sagte Bürgermeister Christian Kiendl (CSU) bereits vor einem Jahr. „Wäre die Muna damals bombardiert worden, gäbe es uns hier heute nicht.“

Das Gelübde zur Errettung aus Kriegsnot war 1945/46 auf 50 Jahre angelegt worden. Es sollte immer der 27. April mit einem Dankgottesdienst begangen werden. Im Jahre 1956 wurde es auf den 1. Mai verlegt und im Jahre 1995 von politischer und katholischer Pfarrgemeinde um 25 Jahre verlängert. Bereits vor einem Jahr hat der Marktgemeinderat einstimmig zugestimmt, dass das Gelübde über das Jahr 2020 hinaus verlängert wird. Die Form des Erinnerns sollte in einem gemeinsamen Gespräch mit den Verantwortlichen des Marktes, den Kirchen, der Heimatpflege sowie weiteren an der Ortsgeschichte interessierten Bürgern konzipiert werden. Im März diesen Jahres fand diese Besprechung statt.

Keine Prozession und neuer Termin
Das Ergebnis dieser Besprechung fasste Geschäftsführer Manuel Kammermeier für den Marktgemeinderat zusammen. Ein gemeinsames Danken und Gedenken sei demnach als weiterhin unbedingt notwendig und sinnvoll erachtet worden. Die große Mehrheit habe sich auch für einen ökumenischen Gottesdienst ausgesprochen. Eine Prozession wurde weitgehend nicht mehr gewünscht und für nicht notwendig erachtet.

Das bisherige Gedenken fand jährlich am 1. Mai statt. Laut Kammermeier sprach man sich dafür aus, den Gedenktag nicht mehr fest an diesen Tag zu knüpfen. Das Gedenken solle jährlich am letzten Samstagabend des Monats April im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes stattfinden. Angesprochen worden sei eine Gedenktafel direkt an der Muna und am Gedenkstein anzubringen, mit einer möglichen Partnerschaft durch die Schule. Vorgeschlagen wurde auch, im Muna-Gelände einen Bunker für eine Ausstellung zu nutzen.

Für den Markt sei die Erinnerung an die letzten Kriegstage in Schierling ein „sehr, sehr wichtiges Thema“, sagte Bürgermeister Kiendl. Er zeigte sich froh über den breiten Konsens. „Das Gedenken darf nicht aufhören“, machte er deutlich. Josef Röhrl (SPD) sprach sich für eine Ausweitung des Gedenkens, zum Beispiel auf umliegende Schulen, aus. Gerade der jüngeren Generation müssten diese Ereignisse überliefert werden. Dazu sei aber eine entsprechende Gestaltung des Gedenkens notwendig. Er wünschte sich auch, dass in regelmäßigen Abständen eine Gedenkfeier in der Muna stattfinden solle.

Ökumenischer Gottesdienst
Der Marktgemeinderat sprach sich erneut einstimmig dafür aus, das Erinnern an die Errettung aus Kriegsnot aufrecht zu erhalten. Die zukünftige konkrete Gestaltung des Gelübdetages soll noch mit dem zukünftigen katholischen Pfarrer von Schierling, Bernhard Pastötter, und dem evangelischen Pfarrer, Uwe Biedermann, abgestimmt werden. Der Vorschlag des Marktes ist es, dass das Gedenken in Form eines ökumenischen Gottesdienstes am letzten Samstagabend des Monats April stattfinden soll.

Info
Im Hinblick auf die aktuelle Pandemie kann das diesjährige Gedenken nur im kleinen Rahmen, wie im Vorjahr 2020, stattfinden. Die Bürgermeister und die Pfarrer werden am Gedenkstein einen Kranz niederlegen und beten.

Gespräche mit Zeitzeugen
Die 55-minütige Sendung von Ulrich Böken „Das Wunder von Schierling oder: wir werden 50 Jahre beten“ aus dem Jahre 1988 kann als Zeitdokument auf der Homepage des Marktes Schierling angehört werden. Darin schildern Zeitzeugen sehr eindringlich die damalige Situation.

Zum Kriegsende im Raum Regensburg, zu dem auch Schierling gehört, haben Rainer Ehm und Roman Smolorz im Auftrag der Stadt Regensburg geforscht und die Ergebnisse 2019 in einem im Friedrich Pustet-Verlag erschienenen Buch „April 1945 – Kriegsende im Raum Regensburg“ vorgestellt. (lab)
   



   
KOMMENTAR:

Es braucht ein sichtbares Zeichen
Das Erinnern an die Errettung aus Kriegsnot darf nicht aufhören. Das ist guter Konsens in der Marktgemeinde. Dass man nach 75 Jahren über eine zeitgemäße Form des Erinnerns nachdenkt, ist angebracht. Es soll ja vor allem die Jugend angesprochen werden. Ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche und ein vor 25 Jahren aufgestellter Gedenkstein sind aber als Erinnerung nicht genug. Dieses für den Markt und die Region wichtige Thema braucht ein für alle Bürger sichtbares und lebendiges Zeichen. Eine Prozession war ein solches Zeichen.

Natürlich gibt es andere, vielleicht zeitgemäßere Möglichkeiten. Eine Dokumentation der Ereignisse, eine Ausstellung, vielleicht ganz modern virtuell, zum Beispiel. Jedenfalls sollte der Markt dieses Gedenken an die Ereignisse der letzten Kriegstage in Zukunft nicht den Kirchengemeinden allein überlassen.

Sebastian Brückl
   




>> Weitere Informationen und Fotos rund um das Gelübde <<

>> Radiosendung vom 06.11.1988 „Das Wunder von Schierling“ <<

>> Informationen zum Buch „Kriegsende im Raum Regensburg“ <<




   

   


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Text: Sebastian Brückl, Laber-Zeitung; Foto: Fritz Wallner

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