Barocker Bauskandal

Tonnengewölbe der Schierlinger Pfarrkirche wurde im 18. Jahrhundert falsch konstruiert
   

Im Jahre 1720, also vor genau 300 Jahren, wurde damit begonnen, die katholische Pfarrkirche von der Gotik zum Barock umzubauen und ihr die jetzige Gestalt zu geben. Ganz neu sind damals das mächtig erscheinende Tonnengewölbe im Innern der Kirche, sowie die äußere Gliederung und der obere Teil des Turms entstanden. Die Schierlinger Kirche gilt in Fachkreisen als eine „dominante Landkirche“.

   

Vor genau 300 Jahren wurde mit dem Umbau der katholischen Pfarrkirche begonnen, während dessen sie mit dem Tonnengewölbe ausgestattet wurde, das in eine Höhe von 14,34 Meter reicht.

   

Es gibt keine Dokumente darüber, wie die Kirche vor 1720 ausgesehen hat. Dass aber ein Gotteshaus am „Kirchberg“ stand, ist unbestritten. Denn schon 1266 ist die Pfarrei Schierling erstmals urkundlich belegt. Außerdem beweist das „Spannagl-Wappen“ an der Ostseite des Turms, dass wohl 1418, also in der Zeit der Gotik, anstelle einer früheren Burgkapelle der Edlen von Schierling eine Kirche errichtet worden war. Schierling galt als „Pfarrdorf“ und wies alle dafür maßgeblichen Merkmale auf, wie Hans Straßer in seiner Chronik „Schierling und die Schierlinger“ aus dem Jahre 2003 darlegt. Bei der Kirche handelte es sich um einen wuchtigen und gedrungenen Baukörper, der am nördlichen und östlichen Rand des damaligen Dorfes Schierling stand. Auch die weiteren Merkmale erfüllte Schierling, nämlich geistliches Zentrum und wirtschaftlicher Schwerpunkt zu sein. Zudem errichtete Pfarrer Reiffenstuel schon während des Dreißigjährigen Krieges unmittelbar an der Kirche eine Schule, was damals fast wie ein Alleinstellungsmerkmal galt.

Vorgängerbau blieb erhalten
Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts war man davon ausgegangen, dass es sich ab 1720 um einen völligen Kirchenneubau handelte. Diesen Eindruck erweckte der damalige Pfarrer Ignaz Loibl, ein gebürtiger Schierlinger, als er in Regensburg den Abbruch der alten Kirche bis auf die Grundmauern beantragte und wohl auch genehmigt bekam. Im Zuge der großen Kirchenrenovierung der Jahre 1997/98 hat sich allerdings herausgestellt, dass er nicht ganz umgesetzt hat, was er als Planung vorgab.

   

Auch die barock gefasste Gliederung der Fassade erhielt der Bau zu Beginn des 18. Jahrhunderts; im Turm sind noch Hölzer aus dem 13., 15. und 17. Jahrhundert vorhanden, wie sich bei einer dendrochronologischen Untersuchung 1997 herausstellte.

   

Der Oberkonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Dr. Harald Gieß, hat sich während der Renovierung mehrfach an Ort und Stelle kundig gemacht und zusammenfassend festgestellt: „Die Maßnahmen 1720/26 beschränkten sich demnach auf den Einbau des gewaltigen Tonnengewölbes und die barock aufgefasste Gliederung sowohl des Kircheninnern als auch der Außenansicht, doch wurde der gotische Vorgängerbau in der Substanz der Umfassungswände miteinbezogen. Im Dachbereich sind auch noch einige Restbalken des früheren Dachtragwerks im Ansatz erhalten.“

Vom „Bauwurm“ befallen
Pfarrer Ignaz Loibl galt als ein kirchlicher Baumeister, der innerhalb seiner 20-jährigen Tätigkeit in Schierling insgesamt fünf Kirchen neu erbaute. Bei einer Führung durch die Kirche erläuterte der Kunsthistoriker Dr. Peter Morsbach schon im Jahre 1995, dass Pfarrer Loibl der „Bauwurm“ befallen hatte, so wie viele andere Pfarrer dieser Zeit auch. Diese Bauwelle sei nicht von ungefähr gekommen, denn der Dreißigjährige Krieg hatte das Land ausgeblutet. Für keinen Architekten und keinen Künstler habe es die Möglichkeit gegeben, etwas Neues zu schaffen oder an Altes anzuknüpfen. Fortan sei die Kunst vor allem über „Wanderkünstler“ aus Italien nach Deutschland gekommen. Erst um 1700 sei der Stern der Italiener gesunken und die bayerischen Künstler machten von sich reden, bald auch mit einem Führungsanspruch für ganz Europa, so Dr. Morsbach.

   

Die Kirche gilt auch als ein hoch interessantes Werk für den Übergang der Stuckarbeiten von der italienischen auf die bayerische Kunst.

   

Der schwere Stuck in der Schierlinger Pfarrkirche sei Ausdruck der italienischen Kunst, von der die bayerischen Künstler wieder gelernt haben. Das Ergebnis der Baumaßnahme bezeichnete Dr. Morsbach als ein hoch interessantes Werk für den Übergang der Stuckarbeiten von der italienischen auf die bayerische Kunst. Morsbach lehrt an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg Denkmalpflege, Denkmalkunde, Kunst- und Architekturgeschichte.

Mächtige Rundbogentonne
Mit dem 1720 begonnen Umbau ist in Schierling eine „Saalkirche“ mit einer mächtigen Rundbogentonne entstanden. Es wurden damals Pfeiler angefügt, mit denen ein repräsentativer, mächtiger Anspruch erhoben wird, den die beiden Nischen im Süden und Norden noch verstärken. Auch das Äußere der Kirche trägt wesentlich dazu bei, dass es sich nach Dr. Morsbach um „eine erstaunlich große und großzügige Anlage mit weiter und ruhiger Mächtigkeit“ handelt.

   

Die große Bedeutung der ursprünglich gotischen Kirche wurde mit mächtigen Pfeilern und zwei Nischen verstärkt.

   

In den Jahren 1997/98 wurde die bisher größte aller bekannten Renovierungsmaßnahmen abgewickelt. Dabei stellte sich heraus, dass es beim Tonnengewölbe schon kurz nach seiner Erbauung statische Probleme gegeben hat. Nach den Feststellungen von Statiker Erwin Drexler sei das Tonnengewölbe von der Geometrie her von Anfang an falsch konstruiert gewesen. Es handelt sich um einen barocken Bauschaden, dem man heute das Attribut „Bauskandal“ verpassen würde. Die Gewölbeschale hat nur eine Stärke von 14 Zentimetern.

Hilfskonstruktion eingebaut
Der Denkmalpfleger Dr. Gieß weist der Schierlinger Pfarrkirche gerade wegen des Schadens am Gewölbe eine besondere Bedeutung zu. Denn es sei damit ein eher seltener Einblick möglich geworden, wie man im Barock mit Bauschäden umging. Nämlich mit einer Hilfskonstruktion, die im Zuge der Generalsanierung teilweise erhalten bleiben konnte.

Dr. Gieß fasste seine Expertise so zusammen: „Unter dem bauhistorisch-technischem Gesichtspunkt kommt der Schierlinger Pfarrkirche eine herausragende und weit über die Region hinausreichende Bedeutung zu, die zusammen mit der guten künstlerischen Qualität der Raumschale den besonderen Denkmalwert ergibt.“ Nicht zuletzt deshalb stellt es für Pfarrei und Gemeinde Schierling eine Dauerverpflichtung dar, auf dieses Gotteshaus obacht zu geben, sowie ständig zu investieren, um größeren Schäden schon im Vorfeld zu begegnen.

   


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Text und Fotos: Fritz Wallner

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